Klinik- und Reha-Seelsorge Bad Abbach

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Sehnsucht

In der besonderen Zeit, in der wir gerade leben, fällt es vielen schwer, dass zwischenmenschliche Kontakte so eingeschränkt sind. Wenn ich nur einen ausgewählten Kreis meiner Verwandten und Freunde treffen darf, wenn Hände-schütteln, Umarmungen, körperliche Nähe tabu sind - das ist schon ein großes soziales Defizit, das wir da derzeit verkraften müssen.

Noch schwerer wird es, wenn ich selbst engste Familienangehörige nicht sehen kann. In Krankenhäusern ist man besonders vorsichtig, dass niemand den Virus ins Haus trägt. Deshalb ist hier alles noch strenger als in anderen Bereichen. Vom Kopf her kann das jeder nachvollziehen. Unser Herz aber leidet, wenn wir die Menschen, mit denen wir sonst ganz eng verbunden sind – unseren Ehepartner, unsere Kinder – wegen der strengen Auflagen nicht treffen können. Dabei würde ja gerade die Nähe unserer Liebsten unsere Psyche stärken und damit zu unserer Genesung beitragen. Aber damit müssen wir uns nicht zufrieden geben. In dreifacher Weise können wir mit dieser Situation positiv umgehen:

Zum einen kann ich die Sehnsucht, die ich da spüre, als Zeichen dafür nehmen, wie wertvoll mir meine Familie ist, wie sehr mir diese Menschen am Herzen liegen. Auch wenn es schmerzt, so zeigt mir doch meine Sehnsucht, wie sehr ich mich den Meinen verbunden fühle. Die Sehnsucht ist ein Beweis für unsere Liebe.

Ein Zweites
wäre, wenn ich mit meiner Frau, meinem Mann, meinen Kindern am Telefon genau darüber spreche, wenn ich ihnen sage, wie sehr ich sie vermisse, wie sehr ich mir wünschen würde, bei ihnen zu sein, wie sehr ich sie mag. Auch wenn solche Worte schwer über die Lippen gehen – wer es wagt, der wird merken, wie dankbar die anderen dafür sind, wie sehr es sie bewegt, und wie dadurch die Bindung noch mehr gestärkt wird.

Drittens
können wir unsere Sehnsucht auch als motivierende Kraft umsetzen. Wenn ich mir sage: „Ich freue mich auf dieses Wiedersehen. Wenn meine Zeit hier im Krankenhaus, in der Reha vorüber ist, dann darf ich euch wieder in die Arme schließen“, dann wird die Vorfreude auf dieses Ziel mich motivieren und stärken für den Weg, den ich noch vor mir habe. Wir sehen: Sehnsucht kann wertvoll sein.                                               

Tobias Wechler