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In der Zeit, in der wir leben, müssen wir selten auf etwas warten. Informationen, Kommunikation, Verkehr – in vielen Bereichen läuft es schnell. Und wenn wir doch einmal auf etwas warten müssen, dann greifen viele zu ihrem Handy und füllen die Wartezeit damit aus. Warten – was ist das überhaupt? Wenn wir auf etwas warten, dann bedeutet das: Ich bin mir bewusst, dass bestimmte Prozesse Zeit brauchen; und ich gebe ihnen diese Zeit. Den Zustand, bevor das Erwartete eintritt, versuche ich auszuhalten, zu erdulden. Ich erdulde das „Noch-nicht“. Ich erdulde die Unvollkommenheit. Daher kommt auch das Wort „Geduld“. Die Corona-Zeit zwingt uns gerade alle zum Warten. Wir warten auf Lockerungen hinsichtlich der Ausgangsbeschränkungen und Schließungen. Wir warten darauf, endlich unsere Eltern wieder besuchen zu dürfen, in den Gottesdienst gehen zu können, in die Arbeit. Wir warten auf die Entwicklung eines Impfstoffs oder eines wirksamen Medikaments gegen den Virus. Wir warten ab, wie sich die Kurve der Infizierten entwickelt … Neben diesem Warten auf bestimmte Ereignisse gibt es aber auch noch eine andere Art des Wartens: Ich kann auch warten, ohne zu wissen, was da jetzt kommen wird. Das kann aufregend sein, wie bei den Kindern, die auf das Kasperltheater warten und schon gespannt sind, welche Geschichte jetzt gleich kommt. Das kann aber auch beunruhigend sein; etwa, wenn ich auf eine Diagnose warten muss. Warten, ohne zu wissen, was kommt – das fällt uns schwer, das fordert uns heraus. Wir sind gezwungen, offen zu bleiben, müssen uns in Geduld üben und versuchen, Vertrauen zu entwickeln in eine Zukunft, die wir noch nicht kennen. Offenheit, Geduld, Vertrauen – Wer warten kann, der bekommt all das, und zwar sofort. Tobias Wechler